Kommentar: Valve, get your sh*t together!
Gabe Newell und sein Multimilliarden-Konzern Valve stehen seit kurzer Zeit unter heftiger Kritik der Dota 2-Community. Die diversen Gründe dafür, sowie ob die Kritik gerechtfertigt ist oder nicht, sollen nachfolgend aufgezeigt werden.
Eigentlich hätte im vergangenen August die zehnte Durchführung des legendären «The International»-Turniers, der Dota 2 Weltmeisterschaft sozusagen, stattfinden sollen. Das International wurde 2011 durch Valve ins Leben gerufen, dies insbesondere als Promo-Aktion für ihren neu erschienenen eSport-Titel Dota 2.
Besonders am Turnier war der hohe Preispool von 1.6 Millionen US-Dollar, wovon eine ganze Million an den Erstplatzierten ging. Ein Preisgeld in dieser Höhe war im eSport damals noch unvorstellbar; mehrere Spieler und Teams dachten sogar, es handle sich dabei um eine Art Betrug als sie die Einladung für die Teilnahme am International erhielten.
Zehn Jahre später wissen wohl die meisten eSport-Fans – selbst diejenigen, welche mit Dota 2 ansonsten nichts zu tun haben – was «The International» ist: Das seit seiner Einführung im 2011 jeweils höchstdotierte eSport-Event des Jahres. So stieg der Prizepool von 1.6 Millionen US-Dollar auf sagenhafte 34’330’068 US-Dollar an. Dieser Preispool kommt grösstenteils – Valve selbst sponsort lediglich eine Million – durch Crowdfunding zustande.
So veröffentlicht Valve jeweils anfangs Sommer den sogenannten «Battle Pass», der diverse kosmetische Gegenstände, Voicelines beliebter Caster wie „Lakad Matatag, Normalin, Normalin“, neue Game-Modes, wie das Aghanims Labyrinth, und weitere Gimmicks enthält.
Aghanim’s Labyrinth, einer der neuen Game Modes aus dem Battle Pass.
Zu diesen gehören beispielsweise der Cavern Crawl, geänderte Charakteranimationen, Ingame-Fussbälle und viel mehr. Sämtliche Inhalte findet Ihr auf der Website des Battle Passes.
25 % des dadurch erwirtschafteten Erlöses fliessen direkt in das International-Preisgeld. Auch dieses Jahr veröffentlichte Valve einen Battle-Pass und auch dieses Jahr kam dadurch wieder eine neue Rekordsumme – selbst während Covid-19 weltweit zu Rezessionen führte – zusammen. Der genaue Betrag steht noch nicht fest, klar ist jedoch, dass Valve mit dem diesjährigen Battle-Pass einen Erlös von über 100 Millionen US-Dollar erwirtschaften wird!
Trotz grossem Preisgeld kein Event?
Da im Jahr 2020 jedoch scheinbar nichts Gutes passiert, findet dieses Jahr wegen Corona auch kein International statt. Dies ist umso bitterer, da es sich doch um das zehnjährige Jubiläum handeln würde und zudem in Europa, genauer in Schweden, stattgefunden hätte. Doch nicht bloss das, auch der Dota Pro Circuit (DPC) eine Serie von Turnieren (sogenannte Minors und Majors) welche zum International hinführen, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben bzw. eingestellt.
In following how the pandemic has been developing globally, the recent increase in the unpredictability of COVID-19 means we can’t yet commit to new dates for TI10 and the DPC. We share your eagerness in returning to these events, and will announce updates as soon as we can.
— DOTA 2 (@DOTA2) August 25, 2020
Ein Blick auf andere eSport-Titel zeigt, dass der eSport auch während der Corona-Zeit durchaus weiterlaufen kann. Einige eSport-Titel erhielten durch Corona sogar einen regelrechten Boost, da reguläre Sportveranstaltungen nicht stattfanden. So hätte es auch Valve durchaus in der Hand, entweder selbst, oder durch Unterstützung der Turnier-Organisatoren, weiterhin Turniere oder regionale Ligen durchzuführen.
Es scheint jedoch, als liesse Valve die Community im Stich. Kyle «Kyle» Freedman (ehemaliger HoN bzw. Dota 2-Profi, nun Turnier-Talent) gab seine geballte Frustration darüber während eines Twitch-Broadcasts tausenden von Zuschauern kund. Dies führte zu einer weiterführendenden Diskussion, woran sich diverse eSport-Persönlichkeiten beteiligten; so kritisiert etwa auch Rod «Slasher» Breslau Valve in nachfolgendem Tweet:
Gabe Newell has more tier 3 simps than every twitch streamer combined
— Rod Breslau (@Slasher) August 31, 2020
Wie so oft: Alle Nicht Profis bangen und hungern
Der Ausfall des Internationals und des DPCs ist aber bloss ein Symptom des Übels: Dota 2 hat seit Beginn das Problem, wie auch die meisten anderen (e)Sportarten, enorm kopflastig zu sein. So haben Spieler und Teams, die während des DPCs vorne mitspielten und am International mitmachen konnten, ausgesorgt, während die Tier 2-Teams am Hungertuch nagen und kaum überleben können. Genau aus diesen Tier 2-Teams kommt jedoch der Nachschub an frischem Talent. Wenn diese Quelle versiegt, stirbt irgendwann auch die Tier 1-Szene. Momentan wäre der perfekte Moment – etwa mit jenem Geld, welches durch die Nicht-Organisation und Durchführung des Internationals gespart wurde – die Tier 2 und 3-Szene mittels regionalen Ligen zu neuem Leben zu erwecken. Doch Valve unternimmt gar nichts, wodurch nun sogar viele Tier 1-Teams und Spieler um ihre Existenzgrundlage fürchten müssen.
Auch grosse Organisationen wie Alliance könnten unter Valves Faulheit leiden.
Dass das «The International» ausfällt, hat auch sonst weitreichende Folgen für die Zukunft von Dota 2, denn das International war die einzige Art von Promotion, die für Dota jemals gemacht wurde. Während etwa Riot für League of Legends und Valorant YouTube-Ads, auf Twitch (wie kürzlich die Launch-Aktion von Valorant), auf Reddit und sonstwo Werbung schaltet, ruht sich Valve auf den alten Lorbeeren aus.
Verbuggte Skins, ein schwerer Einstieg und fehlender Support
Doch auch sonst wurde die Community in letzter Zeit häufig von Valve enttäuscht: So fehlen etwa noch heute jegliche Anzeichen der im Herbst 2019 angepriesenen «New Player Experience». Dota 2, ein brutal schwieriges und enorm komplexes Spiel, verfügt seit Beginn über kein brauchbares Tutorial. Auch gibt es kein spezielles «New-Player-Matchmaking»; neue Spieler werden gegen solche mit hunderten Stunden und – noch schlimmer – gegen die zahlreichen Smurfs gematcht. Gegen diese Problematik wurde seit über 10 Jahren nichts unternommen. Kein Wunder also, dass Dota 2 mit sinkenden Spielerzahlen kämpft.
Des Weiteren sind zahlreiche Cosmetics und Skins, für welche teilweise viel Geld gezahlt wurde, ganz einfach verbuggt. Das teure Amulett kann also nicht einmal richtig ‚angezogen‘ werden oder sieht beispielsweise urkomisch verbogen aus. Dota Plus – ein Abo-Service, welcher als «Evolution des Battle-Passes» angepriesen wurde – hat seit über einem Jahr keine Updates bzw. neuen Content mehr erhalten und selbst die diesjährigen Battle-Pass-Rewards werden nur verspätet veröffentlicht. Dies gründet auf dem Arbeitsmodell bei Valve, wonach die Mitarbeiter selbst entscheiden können, woran sie gerade arbeiten wollen.
Problematisch ist dies insbesondere deshalb, weil der Produktpflege ein viel kleinerer Stellenwert beigeordnet wird, als der Veröffentlichung neuer Produkte. Bestehende Produkte werden vernachlässigt, neue Produkte werden halbpatzig eingeführt und geraten dann wieder in Vergessenheit – siehe Artifact oder Dota Underlords, welche beide aus dem Dota Franchise entstanden sind.
Neues daher, altes vergessen
Zusammenfassend liegt das Problem darin, dass sich Valve nicht mehr länger um Dota 2 zu kümmern scheint und nunmehr probiert, noch möglichst viel Geld aus der sterbenden «Geld-Kuh» zu melken. Viele Dota 2-Spieler befürchten, dass unserem geliebtem Spiel ein ähnliches Schicksal wie «Team Fortress 2» droht; ein wahnsinnig beliebtes Spiel mit passionierter Community, welches durch mangelnde Produktpflege in die Irrelevanz geritten wurde.
Dieser Vorwurf und die Sorgen um die Zukunft von Dota 2 erscheinen momentan – mehr als je zuvor – berechtigt. Das ist umso frustrierender, da Dota 2 nach wie vor durch regelmässige Patches gepflegt wird und über exzellente Spielmechaniken und genreführendes Balancing verfügt. Es bleibt somit zu hoffen, dass die Kritik bei Valve (endlich) auf offene Ohren trifft. Dass sich aktuell auch Profi-Spieler und bekannte Community-Figures einschalten, lässt hoffen, die Vergangenheit zeichnet jedoch ein düsteres Bild.
Update 08.09.2020 (by Reto Canova)
Valve hat aufgrund des vielen negativen Feedbacks auf Social Media ein Statement veröffentlicht, in welchem Sie als Erstes auf ihr Verständnis für die Community hinweisen. Valve hätte die Kommunikation mit ihrer Player Base des Öfteren vernachlässigt und diese auch nicht transparent gestaltet.
Um dies wieder gerade zu biegen, scheint sich Valve (im Volksmund liebevoll ‚Volvo‘ genannt) gerade so genug Mühe zu geben. So sollen folgende Competitive Events stattfinden:
- 4 durch dritte organisierte Ligen und Turniere in EU/CIS
- 3 Events in China
- ein paar weitere, welche sich noch in einem zu frühen Stadium befänden, um gross darüber berichten zu können
Ebenfalls für viel Freude sorgt das provisorische Datum für die zehnte Ausgabe des ‚The International‘. Dieser soll im August 2021 stattfinden und zwar in Stockholm, EUROPA!
Es wird laut Valve am Ende des Tages jedoch immer ein paar Verlierer geben; dies sei aber auch ihre Schuld, da Valve diese Organisationen nicht genug gepusht und unterstützt hätten.
Der letzte Teil der Message ist den Youtubern und Streamern gewidmet. Diese hatten in letzter Zeit oft Streitigkeiten mit Turnierorganisatoren, wenn es um die Übertragung oder konkreter das Streamen von Events ging. Ab dem 15. Septmeber soll die Dota Lizenz aktualisiert werden. Diese soll zukünftig Turnierorganisatoren unterstützen, Community Streamer einfach in ihre Broadcasts einzubauen.
Es scheint, als hätte Valve die Schelte der Community wahrgenommen, jetzt muss nach dem ganzen Gelafer auch noch geliefert werden 😉